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Denn meine Gedanken sind
nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der
HERR; sondern soviel der Himmel höher ist denn die Erde, so sind
auch meine Wege höher denn eure Wege und
meine Gedanken denn eure Gedanken.
Jesaja 55, 8-9
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-Die Wege Gottes-
Es war einmal ein alter Einsiedler. Der murrte immer gegen Gottes Wege. Eines
Tages aber wurde ihm im Traum etwas gezeigt, was ihn stille machte. Es erschien
ihm ein Gottesbote. Der forderte ihn auf, mit ihm zu gehen. Sie kamen in ein
Haus, wo sie freundlich aufgenommen wurden. Der Hausherr sagte: "Ich
feiere heute einen frohen Tag. Mein Feind hat sich mit mir versöhnt und
zur Bekräftigung der Versöhnung einen goldenen Becher geschickt."
Am anderen Tag sah der Einsiedler, wie der Gottesbote den Becher mitnahm und
wollte böse werden. "Schweig! So sind Gottes Wege!" Bald kamen
sie wieder in ein Haus. Der Hauswirt, ein Geizhals, fluchte über die
ungebetenen Gäste und tat ihnen alles Leid an. "Da müssen wir
gehen", sagte der Gottesbote und gab dem Hauswirt den goldenen Becher!
Der Einsiedler wollte aufbegehren... "Schweig! So sind Gottes Wege!"
Am Abend kamen sie zu einem Mann, der sehr traurig war, weil er es mit all
seinen Arbeiten nicht vorwärts brachte und immer vom Unglück verfolgt
wurde. "Gott wird helfen", sagt der Bote und zündete beim Weggehen
das Haus an. "Halt!" schrie der Einsiedler... "Schweig! So
sind Gottes Wege!"
Am dritten Tage kamen sie zu einem Mann, der finster und in sich gekehrt war,
nur mit seinem Söhnchen war er freundlich; denn er hatte es sehr lieb.
Als sie am anderen Tag weggingen, sagte der Mann: "Ich kann euch nicht
begleiten, aber mein Söhnchen darf bis zur Brücke dort mit. Gebt
acht auf das Kind."
"Gott wird es behüten", antwortete der Bote und warf auf der
Brücke das Kind in den Fluss. "Du heuchlerischer Teufel", schrie
der Einsiedler, "das sind nicht Gottes Wege..."
In diesem Augenblick verwandelte sich der Bote in einen Engel voll himmlischen
Glanzes: "Höre! Der Becher war vergiftet, den freundlichen Mann
habe ich vom Tode gerettet, der Geizhals aber hat sich den Tod damit getrunken.
Der arme Mann wird beim Aufbau seines Hauses einen Schatz finden, mit dem
ihm aus aller Not geholfen ist. Der Mann, dessen Kind ich in den Strom warf,
war ein schwerer Sünder; das Kind, das er erzog, wäre sonst ein
Mörder geworden. Der Verlust des Kindes wird nun des Vaters Herz zur
Umkehr bringen; das Kind aber ist gut aufgehoben.
Siehe, nun hast du ein Stück von der Weisheit und Gerechtigkeit Gottes
gesehen. Ehre künftig sein verborgenes Walten!" (Eine Geschichte
aus einem alten Lesebuch)